Meine Tochter soll nicht das Schicksal ihrer jüdischen Vorfahren teilen

11.04.2022: Die jüdische Krankenschwester Ilona floh mit ihrer Tochter aus der Ukraine nach Moldau, wir erzählen hier ihre Geschichte

Spät in der Nacht kam Ilona in Tudora an. Ein paar hundert EinwohnerInnen, am Straßenrand einige Ladas und Traktoren, kein Licht hinter den Fenstern, keine bellenden Hunde. Eine erdrückende Szenerie, selbst für ihre sonst so aufgeweckte Tochter. Dann hatten sie das Haus erreicht, in dem sie nach ihrer Flucht unterkommen sollten. „Als ich den Wasserhahn aufdrehte und mir eiskaltes Wasser über die Hände lief, verwandelte sich meine Panik in Hysterie.“ In solchen Situationen sind es oft banale Momente wie dieser, die als Trigger reichen, um die Fassung zu verlieren. Ilona ist dankbar für das Haus, das Essen, die Sicherheit und die freundlichen Menschen um sich herum. Und trotzdem fühlte es sich an wie der Untergang der Welt.

Vor ihrer Flucht lebte Ilona in Odessa und arbeite als Krankenschwester. Sie ist Jüdin, einige ihrer Familienmitglieder kamen bei Pogromen um, die meisten später im Holocaust. „Nur weil meine Großmutter nicht dort war während des großen Mordens, nur deshalb gibt es mich“, sagt Ilona. „Meine Tochter Biana soll auch überleben, sie soll nicht das Schicksal ihrer jüdischen Vorfahren teilen.“

Ilona ist eine resolute Frau. Sie wollte nicht weit weg, um jederzeit in ihre Heimatstadt, ihre Wohnung, zurückkehren zu können. Und so landete sie mit ihrer 18-jährigen Tochter bei CONCORDIA in Tudora. Als im Donbass, in Mariupol und rund um Kiew die ersten Bomben fielen, schien an ihrem ersten Tag in Moldau die Sonne. Und dann entdeckte sie auch den Boiler, den sie in der Nacht zuvor nur hätte aufdrehen müssen, um warmes Wasser zu haben. Fünf Wochen ist das nun her, doch es fühlt sich an wie eine Ewigkeit.

Ihre Tochter soll in wenigen Wochen die nun online stattfindende Schule abschließen, danach will sie Medizin studieren. Ilona sitzt einstweilen im einem unserer CONCORDIA Sozialzentren. Hinter Ilona spielen moldauische und ukrainische Kinder „Reise nach Jerusalem“, der Sieger bekommt einen Apfel. Alte Frauen in Kitteln und Kopftüchern löffeln Suppe.

Die Angst bleibt auch in Moldau

Was sich zuerst vielleicht nach einer guten Lösung anhören mag, ist es keineswegs. Moldau ist kein EU-Mitglied, kein Nato-Mitglied, laut Verfassung neutral und eines der ärmsten Länder Europas. Was, wenn Wladimir Putin auf den Gedanken käme, seine Soldaten noch weiter marschieren zu lassen als bis Odessa? Ilona und ihre Tochter fühlen sich im Moment sicher. Aber Tudora liegt im Süden von Moldau, an der Grenze zur Ukraine.

Ilona will jetzt lieber sichergehen, sagt sie. Wer weiß, ob ihre Tochter und sie nicht doch weiterziehen müssen? Israel wäre eine Möglichkeit oder Deutschland, wo ein Onkel lebt und die jüdischen Gemeinden wieder wachsen.

60 Einrichtungen dort wo die Not am größten ist

CONCORDIA ist schon lange in Moldau aktiv. Wir haben 60 Einrichtungen im ganzen Land, bieten Kindertagesstätten, Altenheime, Suppenküchen, mobile Sozialassistenz, Wohngruppen, Pflegefamilien und Tageszentren an.

Seit Kriegsbeginn konnten wir dutzende Betten für Flüchtlinge frei machen. Zusätzlich unterstützen wir lokale sogenannte Host-Familien, die UkrainerInnen aufgenommen haben mit Essen. Diese leben meist selbst in sehr bescheidenen Verhältnissen, und brauchen unsere Unterstützung.

Lesen Sie hier alle Informationen rund um unsere Hilfe für ukrainische Flüchtlinge.

 

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